Stille Post –
Cho Ari

Detail eines Fotos aus dem persönlichen Archiv von Kang Jun, Tochter von Lee Kae-sun


Stille Post –
Cho Ari

6.11.2025–1.2.2026
Kunsthaus-Foyer


Ausgehend vom Konzept eines ökologischen Gedächtnisses nähert sich Cho Aris Wand- und Soundarbeit Akazi, Barocco, Arirang zwei miteinander verflochtenen Biografien an: der der koreanischen Kranken-chwester Lee Kye-soon, die in den 1960er Jahren als sogenannte Gastarbeiterin nach Hamburg migrierte, und der eines Akazienbaums, eine Spezies, die sich entlang kolonialer Routen zwischen Europa und Ostasien verbreitete. Beide verkörpern generationsübergreifende Prozesse der Entwurzelung und Transformation. Anhand dieser Geschichten begibt sich die Künstlerin auf eine sinnliche Spurensuche, in der Erinnerung nicht nur als menschliches und sprachlich fassbares Phänomen erscheint, sondern als etwas, das durch unsere Umwelt zirkuliert.

Im Zentrum der Arbeit steht das koreanische Volkslied Arirang. Es fungiert als akustisches Archiv kollektiver Emotionen und als Träger von han (tiefgreifender Kummer). Cho Ari verwebt es mit barocken Variationen, Ultraschallklängen aus der Pflanzenwelt sowie der Stimme von Kang Jun, Lee Kye-soons Tochter, und schafft so einen Raum, in dem menschliche und nicht-menschliche Erinnerungen nebeneinander existieren. Während der Sound die zeitliche und strukturelle Auflösung der Erinnerung anklingen lässt, materialisieren sich dessen Rückstände auf der Oberfläche der Wandinstallation. Diese besteht aus perforiertem Stoff, der mit fotografischen Negativen bedruckt ist. Seine Musterung basiert auf den Schwingungswellen, die durch die Überlagerung von Pflanzensignalen und menschlicher Stimme entstehen. Das Textil fungiert als durchlässige Membran an der Schwelle zwischen dem Sichtbaren und dem Verborgenen, dem Anwesenden und dem Abwesenden. Die Künstlerin lässt dadurch einen auditiven und materiellen Schwellenraum entstehen, in dem Erinnerung als dynamisches und speziesübergreifendes Netzwerk wahrnehmbar wird.

Im Rahmen des experimentellen und kommunikativen Ausstellungsformats Stille Post werden die Rollen und Funktionen des Gastgebens und Zu-Gast-Seins fluide: In Anlehnung an das titelgebende Kinderspiel wählen die ausstellenden Künstler*innen die jeweils folgende Person selbst aus. Mit dem Projekt überträgt das Kunsthaus seit April 2024 einen Teil der kuratorischen Verantwortung an die Kunstschaffenden selbst, um so alternative institutionelle Zugänge zu ermöglichen und lokal situierte Netzwerkstrukturen inhaltlicher und persönlicher Art sichtbar zu machen. Bisher wurden im Rahmen von Stille Post Arbeiten von Jaewon Kim, Fritz Lehmann, Altay Tuz, Pia Pospischil, Luzia Cruz und Laurel Chokoago gezeigt.


In ihrer interdisziplinären künstlerischen Praxis untersucht Cho Ari (*1992) die porösen Grenzen zwischen Körperlichkeit, Materialität und speziesübergreifender Handlungsmacht in sich wandelnden Umgebungen. 2025 schloss sie ihren Master of Fine Arts an der Hochschule für bildende Künste Hamburg ab. Ihre Arbeiten wurden u. a. im SENDER; bei Satellit, Hamburg (2025) sowie in der Galerie Flut, Bremen (2024) gezeigt. Ihre Performances und Publikationen wurden in der Galerie Klosterfelde Edition, Berlin (2024); I Never Read, Basel (2025) und La Chambre de Bonne, Paris (2025) präsentiert.


Donnerstag, 6.11.2025, 18 Uhr
Eröffnung
im Rahmen von Panorama XVIII mit RVDS & GGG