Fotos: Hayo Heye
Christian Jankowski – Überbelieferte Kunstgeschichte
Eröffnung: Montag, 6. Juli 2015
es sprechen Uwe Hansen (Kulturkreis Finkenwerder), Ingeborg Wiensowski (Beirat, Kunsthaus Hamburg) und Katja Schroeder (Künstlerische Leitung, Kunsthaus Hamburg)
Führungen:
Donnerstag, 9. Juli 2015, 18 Uhr (Katja Schroeder)
Sonntag, 19. Juli 2015, 15 Uhr (Monika Schröder)
Sonntag, 26. Juli, 15 Uhr (Monika Schröder)
Donnerstag, 20. August 2015, 18 Uhr (Katja Schroeder)
Anlässlich der Verleihung des diesjährigen Kunstpreises Finkenwerder an Christian Jankowski zeigt das Kunsthaus Hamburg eine Einzelausstellung mit aktuellen Werken des in Berlin lebenden Konzept- und Medienkünstlers. Der Themenschwerpunkt der Ausstellung liegt auf Arbeiten, die sich mit kultureller Repräsentation, dem aktuellen Verständnis von Erinnerungskultur sowie dem Potenzial der Kultur als Medium der Geschichtsvermittlung befassen. Mit zahlreichen Verweisen auf die ambivalente deutsche Geschichte leistet Jankowski einen eigenständigen Beitrag zum Jahresthema des Kunsthauses Hamburg, das sich unter dem Motto „Die Zukunft war früher auch besser“ (frei nach Karl Valentin) dem Umgang mit Vergangenheit in einer auf Schnelllebigkeit und Aktualität fokussierten Gesellschaft widmet.
Im Hinblick auf die sogenannte „Kunstmeile Hamburg“, in deren Mitte das Kunsthaus zwischen Kunsthalle und Deichtorhallen zentral gelegenen ist, spannt die Ausstellung den Bogen von der frühen Videoarbeit GALERIE DER GEGENWART „2097“ von 1997 über Werke der letzten fünf Jahre bis hin zu der aktuellsten Videoinstallation UNGLÄUBIGES GLÜCK, die zum Jubiläum der Deichtorhallen im vergangenen Jahr entstanden ist. In der 3-Kanal-Videoinstallation – die bisher nur am Abend des 9. November vor den Deichtorhallen für wenige Stunden installiert war – hat der Künstler dem Haus nahe stehende Personen wie Kurator*innen, Kritiker*innen, Sammler*innen, Politiker*innen und Ausstellungsbesucher*innen im Keller der ehemaligen Großmarkthallen vor laufender Nachtsichtkamera zu ihren Erinnerungen an den Mauerfall am 9. November 1989 befragt. Zeitgleich feierten die Deichtorhallen in Hamburg ihre erste Eröffnung. Indem die Befragten die Worte „Mauer“ und „Wiedervereinigung“ mit den Begriffen „Deichtorhallen“ und „Eröffnung“ vertauschen, bekommen die beiden Ereignisse eine absurde Koinzidenz und das kulturelle Ereignis eine unerwartete emotional-historische Aufladung. Für die Installation hat Jankowski die Aussichtsplattform am Checkpoint Charlie nachbauen lassen, von der aus über den Bauzaun hinweg, der die Deichtorhallen während ihrer Renovierung 2013/14 verhüllte, die Zeitzeugen auf den Projektionswänden zu sehen sind.
Kontrastiert wird diese Installation durch eine frühe Videoarbeit von 1997, die Jankowski anlässlich der Eröffnung der Galerie der Gegenwart in Hamburg im selben Jahr entwickelt hat. Auch hier geht es um die Eröffnungsausstellung eines wichtigen Hauses für zeitgenössische Kunst in Hamburg. Allerdings wird im Gegensatz der Blick nicht in die Vergangenheit gerichtet, sondern Jankowski beschwört ein Zukunftsszenario herauf: 100 Jahre nach Eröffnung re-inszeniert das Museum 2097 seine Eröffnungsausstellung. Auch die Protagonist*innen von damals (unter anderem Uwe M. Schneede, Franz Erhard Walther und Rosemarie Trockel) sind – dank eines mysteriösen Verjüngungsvirus – wieder dabei. So führen der Museumsdirektor und die Künstler*innen – in der Erscheinungsform achtjähriger Kindern – durch die Sammlungsräume und sprechen über die Entwicklung der Kunst und ihrer eigenen Karrieren in den vergangenen 100 Jahren.
Einen gänzlich anderen, aber nicht minder eigenwilligen Umgang mit dem kollektiven Kulturgedächtnis zeigt die Arbeit HEAVY WEIGHT HISTORY, die ebenfalls im Kunsthaus Hamburg präsentiert wird. Im Vorfeld der Weltmeisterschaften im Gewichtheben 2013 in Polen beauftragte Jankowski seinerseits zehn olympische Athleten dieser Disziplin damit, unterschiedliche Kriegs- und Geschichtsdenkmäler auf öffentlichen Plätzen Warschaus anzuheben. Die Aktion wurde sowohl in großformatigen s/w-Fotografien als auch in einem Video festgehalten, das von einem bekannten polnischen Fernsehmoderator im Stil einer Live-Sportsendung kommentiert wird. Wie „schwer“ die Geschichte nicht nur in diesem Land wiegt, wird hierbei in doppeltem Sinne von Jankowski spielerisch ins Bild gesetzt.
Welche teils manierierten Formen politische Repräsentanz im Gewand kultureller Artefakte annehmen kann, zeigt die 22-teilige Fotoserie STAATSGESCHENKE von 2010. Darin sind Beispiele offizieller Staatsgeschenke an die deutschen Kanzler der letzten 60 Jahre dokumentiert. Auch wenn sie häufig zeitlos entrückt scheinen, lassen die Geschenke dennoch Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen den Staaten in ihrer jeweiligen Zeit zu und so schafft Jankowski auch hier wieder eine Verbindung zwischen politischer Macht, historischer Bedeutung und ästhetischer Vermittlung.
Anlässlich der Preisverleihung im Werk des internationalen Unternehmens Airbus, das den Preis stiftet, wird Jankowski eine neue Arbeit vorstellen. In Form einer Performance wird er sich dabei mit der Bedeutung von kulturellem Engagement internationaler Unternehmen beschäftigen. Als Videodokumentation wird diese Arbeit auch in der Ausstellung im Kunsthaus Hamburg zu sehen sein.
Der mit 20.000 € dotierte Kunstpreis Finkenwerder wird seit 1999 vom Kulturkreis Finkenwerder ausgelobt und von der Firma Airbus Operations finanziert. Er wird an Künstler*innen vergeben, die mit ihrem Schaffen einen herausragenden künstlerischen Beitrag zur zeitgenössischen Kunst in Deutschland geleistet haben. Zu den Preisträger*innen der letzten Jahre zählen die Künstler*innen Almut Heise, George Rickey, Candida Höfer, Neo Rauch, Daniel Richter, Thorsten Brinkmann und Ulla von Brandenburg. Mit Christian Jankowski ehrt die vom Kuratorium des Kunstpreises berufene fünfköpfige Fachjury einen Künstler, der sich seit den 1990er Jahren künstlerisch mit den Mechanismen der Mediengesellschaft auseinandersetzt. Mit seinen kontextspezifischen Performances, Videoinstallation und Fotografien greift Jankowski dabei häufig die Bedingungen und Spielregeln der Kunstwelt auf und verknüpft diese mit den Repräsentationsformen populärer Medien wie dem Fernsehen oder dem Kino. Die enge Zusammenarbeit mit Laien und Fachleuten aus angrenzenden Disziplinen spielt bei der Entwicklung seiner Werke meist eine wesentliche Rolle. Die (Selbst-)Reflexion der Konventionen und Maßstäbe des Kunstkontextes wird dabei von Jankowski humorvoll auf den Prüfstand gestellt.