Wolfgang Oelze, Wyoming #5, 2013, C-Print, 80 x 60 cm
Wolfgang Oelze – the qualm
Eröffnung: Montag, 26. Mai 2014, 19 Uhr
Einführung von Goesta Diercks
Der Hamburger Künstler Wolfgang Oelze (*1967) zeigt in seiner ersten institutionellen Einzelausstellung im Kunsthaus Hamburg Fotografien aus den letzten Jahren und neue Videoarbeiten in einer für den Ausstellungsraum konzipierten Installation.
Oelzes Fotografien und Videos zeigen häufig leere Landschaften und Räume als diffuse Schauplätze unbekannter Handlungen. Oft breitet sich Rauch in der Szenerie aus. Periphere Areale, im Zwischenbereich von Zivilisation und Natur, Filmsets gleichend, werden als nebulöse Geheimnisträger inszeniert. Der Ausstellungstitel »the qualm« ist demnach deskriptiv, benennt aber auch den „Zweifel“ am Gesehenen.
Oelzes digitale Bilder sind wie dieser mysteriöse Rauch – geisterhaft kann alles aus ihnen erscheinen oder in einen flüchtigen Zustand übergehen. Die Videos verarbeiten immer wieder Spielfilmausschnitte, Nachrichtenfragmente oder mehrdeutige Freizeit-Landstriche als Bilder der Auflösung von eindeutiger Landschaft und als obskure Sphäre einer vagen, nicht definierbaren Präsenz.
Thomas Macho beschreibt dies in seinem Text „Im Bann des Formlosen“ über die Arbeiten von Wolfgang Oelze:
„Die Motive der Inklusion und des Rauchs sind wiederkehrende Bildelemente im Foto- und Videowerk Wolfgang Oelzes. Sie sind charakteristisch für seine visuelle Auseinandersetzung mit Höhlen, Labyrinthen, Bunkern, Hügelgräbern, Steinbrüchen und Katakomben, mit diffusen Flecken in verschiedenen Räumen, die auf den ersten Blick wie Erinnerungsorte wirken, ohne doch irgendwelche Inhalte der Erinnerung preiszugeben. An manchen Stellen steigen schmale Rauchfahnen auf, ohne sichtbare Feuerquellen, verbreiten sich wie Bodennebel im zerstreuten Sonnenlicht, wie lokales Ektoplasma, Spuk an verwunschenen Plätzen, die keine Kriege, Gewalttaten oder Opferrituale zitieren.
[….] Sie sind Effekte jener Formlosigkeit, die mit dem eigenen Unbewussten – und dem Respekt vor der Macht dieses Unbewussten – korrespondieren. Das Formlose ist außen, im Angesicht des Meers oder des bedrohlichen Himmels; das Formlose ist innen, wie unter der Käseglocke, die nur den Rauch nach außen dringen lässt. Aber an welcher Stelle begegnet das Formlose in Meer, Wolken oder Wäldern dem Formlosen im eigenen Selbst, der Qual, die mit dem Qualm eine etymologisch subtile Beziehung unterhält? Welcher Rauch dringt von innen nach außen, von außen nach innen? Warum entwickeln Unglücke – und die aufsteigenden Rauchschwaden, die sie anzeigen und umgeben – eine so signifikante Anziehungskraft?“
Oelze überführt in den neuen Videoarbeiten die Verunsicherung durch die bildliche Strategie des Vagen, Diffusen und Formlosen aus den Fotografien in eine Atmosphäre latenter Bedrohung.
Die Anwendung digitaler Techniken führt unmittelbar Assoziationen zu unheilvollen Überwachungszenarien herbei, etwa, wenn die – wie versehentliche – Verfolgung eines Militärlasters im Libanon durch die Methode des „Tracking“ (digitale Verfolgung eines Punktes), den Lastwagen in der Bildmitte fixiert, und die Landschaft um ihn herum in wilde Bewegung versetzt wird. Oder wenn in einem anderen Video die mit einem Teleobjektiv gefilmten, seltsam maßstabslos gewordenen Personen in Freizeitkleidung auf einer Wiese scheinbar ziellos umherwandern und einer nach dem anderen in einem Spalt in der Bildmitte verschwindet, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen.
Wolfgang Oelze arbeitet profund an den bildlichen Strategien digitaler Gegenwart, die das Bild im herkömmlichen Sinn verschwinden lassen. Die Auflösung der Grenze zwischen dem Selbst und seinem Abbild ist symptomatisch für diese Entwicklung. Die Möglichkeit einer Selbstperfektionierung im digitalen Raum und der totalen Überwachung durch „Big Data“ bestimmt das Leben mehr, als wir es bisher ahnten. Auch von diesem unheimlichen Zweifel erzählt die Ausstellung »the qualm« auf unterschwellige Weise.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen mit Essays von Jens Asthoff und Thomas Macho im Revolver Verlag.